Ja, sie wirken nein, sie wirken nicht
05/11/18 22:11
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Ja, sie wirken – nein, sie wirken nicht
Nachgehakt: Meinungen über den Nutzen von Wildreflektoren gehen auseinander – Effektivität unfallstatistisch nicht belegt
KUSEL.
Auf Warnreflektoren setzt die Jägerschaft im Kreis Kusel weiter, um Wildunfälle zu vermeiden.
Kreisjagdmeister Bernd Klinck aus Ulmet kündigt an, dass auf weiteren Straßenabschnitten die blauen Reflektoren an den Leitpfosten angebracht würden. Auch die Kreisverkehrswacht befürwortet die blauen Warnreflektoren am Straßenrand.
Dies sei grundsätzlich eine „gute Sache“, sagt Verkehrswacht-Vorsitzender Christian Bauer.
Im Landkreis hatten die Jäger mit Unterstützung der Verkehrswacht im Frühjahr 2013 erste Reflektoren an zwei Versuchsstrecken bei Medard und Kreimbach-Kaulbach montiert. Die Lichtreflexionen sollen Wildtiere von der Fahrbahn fernhalten und damit Unfälle vermeiden.Zweifel an der Wirksamkeit der Reflektoren zur Vermeidung von Kollisionen mit Wild nährte vor wenigen Wochen eine Studie von Göttinger Forschern. Für die Untersuchung wählten die Wissenschaftler 150 Teststrecken in drei Bundesländern aus, um das Verhalten des Wildes mithilfe von Videoaufzeichnungen durch Infrarotkameras zu dokumentieren. „Für das Verhalten der Tiere spielte es keine Rolle, ob sich an den Strecken blaue Wildreflektoren befanden oder nicht“, folgerte der Waldökologe Christian Ammer nach der Auswertung des Materials. Dagegen argumentiert Kreisjagdmeister Klinck, es gebe auch gegenteilige Studien, in denen Warnreflektoren durchaus Wirksamkeit bescheinigt werde. „Wir wissen, dass sie wirken, aber nicht warum“, sei das Fazit eines Verkehrskongresses in Hannover gewesen, an dem Klinck teilnahm. Aus der Jagdstatistik für den Landkreis ergibt sich, dass seit dem Start mit Reflektoren in der Jagdsaison 2013/14 die Zahl toter Rehe durch Unfälle zunächst zurückging von 467 auf 384 und in der Saison 2014/2015 sogar auf 363. Seither lag die Zahl konstant bei rund 470. Parallel stieg die Zahl des Fallwilds, also Rehe, die nicht bei der Jagd erlegt wurden. Tote Wildschweine durch Verkehrstod gab es der Statistik zufolge 64 in der Saison 2017/18. Zudem werden in dieser Periode 74 Fälle von Fallwild verzeichnet. Mittlerweile hat die Kreisgruppe Kusel der Jägerschaft in Zusammenarbeit mit der Verkehrswacht mehr als 4000 Wildwarner angebracht. Weitere 1200 werden demnächst platziert, wie Klinck ankündigt. Hinzu kämen Reflektoren, die von den Jagdpächtern an Straßen in ihren Revieren eingesetzt werden. Als besondere Gefahrenstelle für Wildunfälle nennt Klinck die Verbindung Rathsweiler zum Mayweilerhof sowie die B 270 im Bereich Grumbach. Der Kreisjagdmeister wirbt dafür, weiterhin an den Reflektoren, die rund drei Euro pro Stück kosten, festzuhalten. Denn auf flachen Streckenabschnitten – ohne Abhänge und Böschungen – sei die Zahl der Wildunfälle um bis zu 40 Prozent gesunken. Diese wirkten auch indirekt, indem sie Autofahrer für die Gefahr des Wildwechsels sensibilisierten.
Zurückhaltend wird die Wirkung der Wildwarner in der Unfallstatistik 2017 der
Polizeiinspektion Lauterecken bewertet. Deren Einführung habe bisher flächendeckend nicht den gewünschten Erfolg gezeigt, wird in dem Bericht bilanziert. Die Reflektoren wirkten offenbar nur in flachem Gelände, das jedoch für den Dienstbezirk nicht typisch sei. Insgesamt registrierte die Inspektion Lauterecken im vergangenen Jahr mit 557 Wildunfällen, das ist ein Plus von 56, einen Höchststand. Eine Übersicht über fünf Jahre zeigt einen kontinuierlichen
Anstieg: Gab es 2013 noch 360 Kollisionen mit Wildtieren, so kletterte die Zahl zunächst auf 469 (2015) und stieg 2016 erstmals auf über 500. Die Wildunfälle haben laut Statistik der Polizeiinspektion im vergangenen Jahr einen Anteil von 56 Prozent der gesamten Unfälle erreicht. Im Bereich der Polizeiinspektion Kusel mit den Verbandsgemeinden Kusel-Altenglan und Oberes Glantal machten 2017 Wildunfälle rund 40 Prozent aller Unfälle aus. Für das vergangene Jahr verzeichnete die Kuseler Inspektion mit 670 Wildunfällen ebenfalls einen Höchstwert. Im Jahr davor waren es 606.
Für das laufende Jahr sei mit einem Rückgang zu rechnen, nachdem in den ersten neun Monaten 458 Kollisionen mit Wild registriert wurden, sagte Gert Kaiser von der Kuseler Inspektion. In der Jägerschaft sind die Meinungen zu denReflektoren nicht einhellig. Die
Wildwarner wirkten auf flachen Streckenabschnitten, wo das Licht streuen könne, argumentieren Praktiker. Ist die Straße von Böschungen und Hängen gesäumt, gingen die Reflexionen hingegen meist ins Leere oder würden von Rehen und Wildschweinen zu spät wahrgenommen. Zudem gewöhnten sich die Tiere daran, wird als Erfahrung angeführt. Deshalb sollte erwogen werden, Reflektoren nach einer gewissen Zeit zu entfernen oder an anderen Strecken anzubringen. Auch müssten sie regelmäßig gesäubert oder ersetzt werden. Wegen der Umstellung auf die Winterzeit raten Jäger Verkehrsteilnehmern zu besonderer Vorsicht, da nunmehr der Berufsverkehr in der Dämmerung erfolge. Denn in dieser Dämmerzeit überquerten viele Wildtiere Straßen auf der Suche nach Nahrung.
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© Die inhaltlichen Rechte bleiben dem Verlag vorbehalten. Nutzung der journalistischen Inhalte ist ausschließlich zu privaten, nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.
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Ja, sie wirken – nein, sie wirken nicht
Nachgehakt: Meinungen über den Nutzen von Wildreflektoren gehen auseinander – Effektivität unfallstatistisch nicht belegt
KUSEL.
Auf Warnreflektoren setzt die Jägerschaft im Kreis Kusel weiter, um Wildunfälle zu vermeiden.
Kreisjagdmeister Bernd Klinck aus Ulmet kündigt an, dass auf weiteren Straßenabschnitten die blauen Reflektoren an den Leitpfosten angebracht würden. Auch die Kreisverkehrswacht befürwortet die blauen Warnreflektoren am Straßenrand.
Dies sei grundsätzlich eine „gute Sache“, sagt Verkehrswacht-Vorsitzender Christian Bauer.
Im Landkreis hatten die Jäger mit Unterstützung der Verkehrswacht im Frühjahr 2013 erste Reflektoren an zwei Versuchsstrecken bei Medard und Kreimbach-Kaulbach montiert. Die Lichtreflexionen sollen Wildtiere von der Fahrbahn fernhalten und damit Unfälle vermeiden.Zweifel an der Wirksamkeit der Reflektoren zur Vermeidung von Kollisionen mit Wild nährte vor wenigen Wochen eine Studie von Göttinger Forschern. Für die Untersuchung wählten die Wissenschaftler 150 Teststrecken in drei Bundesländern aus, um das Verhalten des Wildes mithilfe von Videoaufzeichnungen durch Infrarotkameras zu dokumentieren. „Für das Verhalten der Tiere spielte es keine Rolle, ob sich an den Strecken blaue Wildreflektoren befanden oder nicht“, folgerte der Waldökologe Christian Ammer nach der Auswertung des Materials. Dagegen argumentiert Kreisjagdmeister Klinck, es gebe auch gegenteilige Studien, in denen Warnreflektoren durchaus Wirksamkeit bescheinigt werde. „Wir wissen, dass sie wirken, aber nicht warum“, sei das Fazit eines Verkehrskongresses in Hannover gewesen, an dem Klinck teilnahm. Aus der Jagdstatistik für den Landkreis ergibt sich, dass seit dem Start mit Reflektoren in der Jagdsaison 2013/14 die Zahl toter Rehe durch Unfälle zunächst zurückging von 467 auf 384 und in der Saison 2014/2015 sogar auf 363. Seither lag die Zahl konstant bei rund 470. Parallel stieg die Zahl des Fallwilds, also Rehe, die nicht bei der Jagd erlegt wurden. Tote Wildschweine durch Verkehrstod gab es der Statistik zufolge 64 in der Saison 2017/18. Zudem werden in dieser Periode 74 Fälle von Fallwild verzeichnet. Mittlerweile hat die Kreisgruppe Kusel der Jägerschaft in Zusammenarbeit mit der Verkehrswacht mehr als 4000 Wildwarner angebracht. Weitere 1200 werden demnächst platziert, wie Klinck ankündigt. Hinzu kämen Reflektoren, die von den Jagdpächtern an Straßen in ihren Revieren eingesetzt werden. Als besondere Gefahrenstelle für Wildunfälle nennt Klinck die Verbindung Rathsweiler zum Mayweilerhof sowie die B 270 im Bereich Grumbach. Der Kreisjagdmeister wirbt dafür, weiterhin an den Reflektoren, die rund drei Euro pro Stück kosten, festzuhalten. Denn auf flachen Streckenabschnitten – ohne Abhänge und Böschungen – sei die Zahl der Wildunfälle um bis zu 40 Prozent gesunken. Diese wirkten auch indirekt, indem sie Autofahrer für die Gefahr des Wildwechsels sensibilisierten.
Zurückhaltend wird die Wirkung der Wildwarner in der Unfallstatistik 2017 der
Polizeiinspektion Lauterecken bewertet. Deren Einführung habe bisher flächendeckend nicht den gewünschten Erfolg gezeigt, wird in dem Bericht bilanziert. Die Reflektoren wirkten offenbar nur in flachem Gelände, das jedoch für den Dienstbezirk nicht typisch sei. Insgesamt registrierte die Inspektion Lauterecken im vergangenen Jahr mit 557 Wildunfällen, das ist ein Plus von 56, einen Höchststand. Eine Übersicht über fünf Jahre zeigt einen kontinuierlichen
Anstieg: Gab es 2013 noch 360 Kollisionen mit Wildtieren, so kletterte die Zahl zunächst auf 469 (2015) und stieg 2016 erstmals auf über 500. Die Wildunfälle haben laut Statistik der Polizeiinspektion im vergangenen Jahr einen Anteil von 56 Prozent der gesamten Unfälle erreicht. Im Bereich der Polizeiinspektion Kusel mit den Verbandsgemeinden Kusel-Altenglan und Oberes Glantal machten 2017 Wildunfälle rund 40 Prozent aller Unfälle aus. Für das vergangene Jahr verzeichnete die Kuseler Inspektion mit 670 Wildunfällen ebenfalls einen Höchstwert. Im Jahr davor waren es 606.
Für das laufende Jahr sei mit einem Rückgang zu rechnen, nachdem in den ersten neun Monaten 458 Kollisionen mit Wild registriert wurden, sagte Gert Kaiser von der Kuseler Inspektion. In der Jägerschaft sind die Meinungen zu denReflektoren nicht einhellig. Die
Wildwarner wirkten auf flachen Streckenabschnitten, wo das Licht streuen könne, argumentieren Praktiker. Ist die Straße von Böschungen und Hängen gesäumt, gingen die Reflexionen hingegen meist ins Leere oder würden von Rehen und Wildschweinen zu spät wahrgenommen. Zudem gewöhnten sich die Tiere daran, wird als Erfahrung angeführt. Deshalb sollte erwogen werden, Reflektoren nach einer gewissen Zeit zu entfernen oder an anderen Strecken anzubringen. Auch müssten sie regelmäßig gesäubert oder ersetzt werden. Wegen der Umstellung auf die Winterzeit raten Jäger Verkehrsteilnehmern zu besonderer Vorsicht, da nunmehr der Berufsverkehr in der Dämmerung erfolge. Denn in dieser Dämmerzeit überquerten viele Wildtiere Straßen auf der Suche nach Nahrung.
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